Im neunten Rosina Roman Die Schwestern vom Roten Haus von Petra Oelker schliddert die Protagonistin wortwörtlich in ihr nächstes Abenteuer. Beim Schlittschuhlaufen auf der noch kurz vor Frühlingsanfang zugefrorenen Alster entdeckt sie unter dem Eis die Leiche einer jungen Frau. Sofort fängt Rosina an, zusammen mit dem Weddemeister und guten Freund Wagner den Spuren zu folgen. Als kurz darauf eine weitere Frau unter brutalen Umständen getötet wird, deutet alles darauf hin, dass ein erbarmungsloser Frauenmörder auf den Straßen Hamburgs des Jahres 1773 sein Unwesen treibt. Die Verbindung der beiden toten Frauen zueinander, die vielen Hinweise auf die italienische Stadt Venedig und das rege Interesse fremder Personen an den Toten Frauen sind nur einige Puzzleteile, die Rosina und Wagner finden und versuchen zu einem Bild zusammen zusetzen. Einem bösen Bild aus einem früheren dunklen Kapitel der Hansestadt Hamburg.
Starke Atmosphäre
Wie schon in den acht voran gegangenen historischen Kriminalromanen um die Komödiantin Rosina schafft es die Autorin Petra Oelker ihre Leser schon nach wenigen Sätzen in das Hamburg des 18. Jahrhunderts zu versetzen. Schon nach wenigen Sätzen zieht sich der Leser die Decke fester um sich, weil er glaubt, die eisige Kälte der zugefrorenen Elbe zu spüren. Die ausführliche und detailgetreue Beschreibung des alltäglichen Treibens in den Gassen und Stuben lässt dem Leser einen klaren Blick in das Treiben jener Zeit werfen. Oelker beschreibt nicht einfach nur wie in einem Geschichtsbuch die Kleidung, die Wohnungseinrichtungen oder die alltäglichen Arbeiten. Sie fügt diese historischen Details kurzweilig und originell in die Handlung der Geschichte ein, etwa wenn Taschendiebe eine goldene Schuhspange klauen, das spätere Opfer im Kampf gegen die Kälte etwas Torf als Brennstoff für den Ofen sucht oder die eh schon luxuriöse Tasse Kaffee zusätzlich mit Mandelmilch und gestampften Nelken verfeinert wird.
Fehlende Spannung
Trotz oder vielleicht auch wegen der vielen detaillierten Anekdoten und Nebenerzählungen fehlt der Geschichte aber ein Spannungsbogen. Obwohl die Geschichte mit einem spektakulären Leichenfund startet und Lust auf mehr macht, ebbt die Spannung schnell ab, da der Leser immer wieder auf Nebenschauspielplätze geführt wurde, die zum Teil nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun haben. So wird in epischer Breite und mit viel Details der Besuch von Magnus Vinstedt in Venedig erzählt. Der Leser erfährt von seien Erlebnissen, Bekanntschaften und Gedanken auf dieser Reise, welche aber zur Hauptgeschichte so gut wie nichts beitragen. Der Fall selber dagegen scheint sich nebenher wie von selbst zu lösen. Als ob Oelker sich nach 350 Seiten daran erinnert, dass da ja noch ein kriminalistischer roter Faden liegt, löst sich der Fall ohne großes Zutun der Protagonisten in Windeseile auf.
Rosina, die Hauptperson
Die Protagonisten Rosina scheint im Roman Die Schwestern vom Roten Haus mehr mit sich selber beschäftigt zu sein, als mit dem Fall. Sehr detailliert beschreibt Oelker immer wieder die Sorgen der jungen Vinstedt um ihren Schössling Tobias und die Ängste um ihren Mann Magnus, der auf einer langen Reise ist. Die Sehnsucht der ehemaligen Komödiantin nach Ihrem unbeschwerten Leben mit dem Wandertheater scheint ihren jugendlichen Esprit und ihre Abenteuerlust stark zu dämpfen. Gefährliche nächtliche Ausflüge in Jungenkleidern, wie in den ersten Romanen um die fröhliche Rosina sind Mangelware. Eine holprige Kutschfahrt nach Wandsbeck ist für die sesshaft gewordene Dame schon in Punkto Abenteuer das Maß aller Dinge geworden.
Fazit:
Das Buch ist ein schöner historischer Roman. Wer gerne auf den Straßen und Plätzen vergangener Jahrhunderte wandelt sollte Petra Oelkers Die Schwestern vom Roten Haus unbedingt lesen. Wer seinen Schwerpunkt aber eher auf kriminalistische oder detektivische Leckerbissen legt, wird eher enttäuscht werden, denn der Kriminalfall nebst seiner Auflösung sind sehr oberflächlich gehalten, nicht zuletzt durch eine in die Jahre gekommene Rosina Vinstedt, der es zunehmend an Esprit, Abenteuerlust und Witz fehlt.
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